Mein Land und ich
Vaterland. Nationalität. Deutschland. Begriffe, denen ich eigentlich nie viel Bedeutung zugemessen habe. Irgendwie fremd fühlen sie sich an. Dabei haben solche Wörter große, schon fast angsteinflössende Bedeutungen. Eine ganze Menge Ideen, ja gar Visionen gehen damit einher – und ich stecke irgendwie mittendrin, eigentlich nicht wirklich dabei und zugehörig fühle ich mich schon gleich dreimal nicht.
Ich gebe zu, mein Interesse an Politik oder Gesellschaft ging bis vor einiger Zeit gegen Null. Sogar das bayerische Bildungssystem hat an mir versagt, fand ich doch Geschichte und Sozialkunde die sinnlosesten Fächer die auf dem Stundenplan standen. Okay, Sport und Chemie könnten den beiden den Rang streitig machen.
Judikative. Ausführende Gewalt. Ja, schonmal gehört, aber mehr als ein paar verschmierte Tintenstriche verband ich damit nicht. Und ich war kein Einzelfall. Definitv nicht.
Doch über Bush haben wir alle gelacht. Klar, die doofen Amis. Nehmen so einen Spargeltarzan, stopfen ihm einige Wochen einen Burger nach dem anderen rein und verkaufen das dann als Film. Das war so in etwa der erste Kontakt mit dem Spiel der großen Männer dieser Welt.
Das Lachen verging uns aber, als wir live dabei waren, als neue Kriege begannen. Aber man kann nichts dagegen tun und irgendwie distanzierte ich mich innerlich davon, weil es ja die anderen sind, die das begonnen haben. Nicht wir. Ja, wir haben den Amerikanern die kalte Schulter gezeigt. Wir machen da nicht mit, hieß es damals. Das war cool.
Einigkeit und Recht und Freiheit
. Was man bisher immer nur mit Fussball, zu viel Bürokratie und zu hoher Arbeitslosigkeit verband ist zwar nicht sonderlich aufregend, aber wenn ich etwas darüber nachdenke, lebe ich in einem Land, dass es mir doch ermöglichte in einer halbwegs positiven Art aufzuwachsen. Und ich hab' das nicht einmal mitbekommen.
Demokratie, klar ist das eine gute Sache. Und man ist unschuldig bis das Gegenteil bewiesen wird, das hat man auch schon einmal gehört. Klingt nach einer guten Sache, ja. Hey, wir sind doch Deutschland. Und weil wir auch noch Papst sind, kann die Zukunft eigentlich gar nicht schlecht werden, oder?
Ach ja, Terror. Irgendwie hört man das in letzter Zeit immer öfter. Terror hier, Bekämpfung da und präventive Massnahme dort.
RAF, das war lange vor meinem Jahrgang, keine Ahnung was die genau gemacht haben. Aber dieser Bin Laden, den konnte ja nicht einmal die Weltpolizei fangen, der hat sicher noch seine Hände im Spiel. Sind wir jetzt alle in Gefahr?
Glaubt man unserer meiner Regierung, dann sind wir das. Deshalb man etwas dagegen tun. Und deshalb lässt man sich tolle Sicherheitsmassnahmen einfallen. Sicherheit ist ja gut. Ich habe auch nichts dagegen wenn jeder meine E-Mails liest. Oder wenn die selbstgeschriebenen Gedichte, die noch auf meinem Computer sind, von einem Polizisten gelesen werden, naja was soll`s? Beim Fingerabdrücke abgeben für den neuen Pass fühle ich mich schon etwas mulmig, doch was kann ich dagegen schon machen?
Irgendwie fühle ich mich dabei doch wie ein Verbrecher. Bin ich etwa doch nicht so unschuldig? Denkt mein Land das von mir? Bricht deshalb der ganze Überwachungswahn aus?
Rechtsstaat – Was sich im ersten Moment nicht sonderlich positiv anhört ist eigentlich keine schlechte Sache. Hier klären sich die Fronten noch nach klaren Regeln, wer Recht hat und wer Schuld hat. Das war ja bei den altern Römern etwas anders, wo man meinen könnte, dass jeder der eine höhere Position als man selbst hatte, jemanden mit einem nach unten gestreckten Daumen den Löwen zum Frass vorwerfen lassen konnte.
Über die Stasi und über das dritte Reich sind wir natürlich alle bestürzt. Das hat das Schulsystem wieder richig gemacht, das selbst so naive junge Hüpfer wie ich Trauer und Unverständnis wegen der Geschehnisse vor gar nicht all zu langer Zeit empfinden.
China, die DDR, das dritte Reich, da weiß auch der politisch Uninteressierte, wo die Probleme liegen: Man wird überwacht, es werden Daten von einem gesammelt um möglichst autoritär zu seinen Bürgern sein zu können, freie Meinungsäußerung wird kaum geduldet und Berufe dürfen nicht ausgeführt werden weil man nicht ins Schema passt.
Doch ist es in Deutschland so anders? Wenn es nach unserem Innenminister geht, nein. Der prescht zur Zeit mächtig vor, hätte gerne Bewegungsprofile von allen deren Gesicht nicht fröhlich grinsend durch den Bahnhof läuft. Und wer auf der Autobahn mal unrasiert auftaucht, sieht gleich wie ein Verbrecher aus und gehört deshalb per Mautsystem analysiert. Ja, Herr Schäuble, technisch möglich ist es, aber brauchen wir das wirklich? Ich glaube nicht.
Wovon man auch einmal gehört hat sind Grundrechte. Die hören sich auch recht gut an, nicht? Warum werden mir aber diese Stück für Stück genommen? Mein Recht auf informationelle Selbstbestimmung zum Beispiel? Keine Bange, ich sage euch schon Bescheid, wenn ich jedem an meinen Telefonaten teilhaben lassen möchte. Nämlich dann, wenn ich diese als Podcast veröffentliche. Aber dann ist das meine Entscheidung und nicht die eines anderen und das ist mir wichtig!
Macht unsere meine Regierung also wirklich was ich will. Zumindest ansatzweise? Das hofft man ja zumindest, wenn man in einem demokratischen Staat lebt, oder nicht? Ich dachte das zumindest, aber wie schon anfangs erwähnt, von Politik habe ich ja nicht wirklich Ahnung.
Holgi hat mir da etwas wichtiges beigebracht: Das ist […] Demokratie: Keiner kriegt, was er will und die Mehrheit ist schuld.
Das klingt irgendwie sehr weise. Und es mag auch der Realität entsprechen, aber in so einem Fall werde ich zum realitätsfremden Optimisten, der einfach nur an das Gute im Menschen glaubt. Doch zur Zeit fällt es mir schwer. Ich fange etwas an mich mit Politik zu beschäftigen, weil ich glaube das Richtige zu tun und dann stelle ich nur fest, dass es deprimiert.
Es macht mich sogar wütend – und das passiert selten – wenn die Leute die für einen Sorgen sollen ihre eigenen Spielregeln nicht beachten, die nicht umsonst nach dem zweiten Weltkrieg aufgestellt wurden: Die Onlinedurchsuchung ist vor kurzem als verfassungswidrig eingestuft worden und jetzt kommt aber heraus, dass diese schon seit zwei Jahren praktiziert wird. Das ist illegal! Das ist als würde unsere Bundeskanzlerin allen Frauen verbieten Anzüge zu tragen und sie würde es weiterhin tun.
Irgendwie erinnern mich die Nachrichten in letzter Zeit immer mehr an Orwells Roman 1984. Ja klar, das war eine erfundene Geschichte und alles sehr SciFi mässig. Wem das zu unrealistisch erscheint, der schaue bitte einfach in die Vergangenheit: Man hat in der zweiten Hälfte des zwanzgisten Jahrhunderts in Deutschland absichtlich keine zentrale Datenbank mit allen Personendaten der Bürger eingerichtet, weil man aus der Vergangenheit gelernt hat. Man wollte von vornherein keinem die Möglichkeit geben, eine Liste aller Blonden, Frauen, Handwerkern, Türken oder Fussballfans zu bekommen, weil sowohl Volk als auch Politiker wussten was man mit solchen Aufstellungen anrichten konnte.
In den Achtzigern gab es bei einer Volkszählung einen Aufstand, weil die Bürger Angst um ihre Freiheit hatten. Rate mal in welchem Land das war.
Und heute? Ach ja, ist ja zur Terrorbekämpfung, das ist schon gut. Ach nein? Na dann wenigsten gegen die Kinderpornografie, genau. Und wenn selbst das nicht, die Hauptsache ist man bekommt seine Payback Punkte.
Politik ist auch nicht mein Lieblingsthema. Doch in den letzten Monaten habe ich gelernt, dass vieles in meinem Leben nur so ist wie es ist, weil ich in diesem Land heimisch bin. Ich habe es mir nicht ausgesucht und stolz bin ich auch nicht drauf. Ich fühle mich nicht glücklich, weil ich in Deutschland lebe, aber es gibt schlimmeres.
Doch so eine große Community funktioniert nur für alle halbwegs gut, wenn man nicht alles als gegeben hin nimmt. Ich kenne kaum Leute, die aktiv an der Gestaltung ihres Landes teilhaben. Ich verlange von keinem das er/sie direkt in die Politik geht, was aber wirklich problematisch ist, ist die Masse an Unbeteiligten, die irgendwo ihr Kreuzchen machen, weil ihnen das eine Webseite oder die Oma so gesagt hat.
Wird es also nicht langsam Zeit, dass man etwas für sein Land tut? Täglich ein paar Minuten sich der Lage bewusst machen, Anteil nehmen, eine Meinung bilden und diese wenn nötig vertreten. Ich weiß, in dieser stressigen Welt hat jeder (zu) viel zu tun (oder meint es zumindest), aber wäre das zu viel verlangt? Ich hoffe nicht, andererseits brauchen wir uns nicht wundern, wenn wir in einigen Jahren einige wirkliche unschöne Verhältnisse haben nur weil wir nicht bereit waren 0,00347% unseres Tages in die Zukunft zu investieren.
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