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Dienstag, 07. August 2007 - 23:31

Straßencafé

Es ist spät abends, die Sterne leuchten schon hell vom Himmel herab, und ich sitze vor dem Straßencafé. Von innen hört man einen Pianisten leise sein Instrument streicheln. Die Sängerin, die ihn begleitet, ist immer nur dann zu hören, wenn die Tür von einem Kellner aufgestoßen wird. Gerade eben konnte ich aber kurz ein Dream a little dream of me heraushören.

In dieser milden Sommernacht bin ich hier natürlich nicht allein mit meinen Sternen, und dem dampfenden Glas heißen Tees:
Der Typ dort hinten im Eck zum Beispiel.
Er sitzt ebenfalls allein und kritzelt etwas in sein Notizbuch.

Mit seinem Melonenhut, dem braunen Mantel und der runden Brille sieht er aus wie ein Dichter zu Zeiten Chopins. Ich frage mich gerade ob ich zu ihm rüber gehen sollte und ihn fragen sollte ob er Chopin kennt, als die zwei Damen gegenüber wieder über die moderne Männerwelt seufzen und inständig darauf hoffen, dass sie heute nicht alleine in ihre gemeinsame WG zurück müssen.

Unbeirrt vom Liebesleben der Beiden, beschließe ich den Dichter lieber in Ruhe zu lassen und wieder weiter mich vom leicht beleuchteten Schaufenster des Buchladens auf der anderen Straßenseite inspirieren zu lassen.

Wissen Sie, solche Buchläden haben mich schon immer fasziniert. Vor allem die Vorstellung In diesem Durcheinander von eng aneinander stehenden Regalen und bestimmt tausenden von Büchern genau das Werk zu finden, das man sich erhofft hat. Das muss schlimmer sein, wie in jeder Bibliothek.

Eines Tages, überlege ich, gehört so ein Buchladen vielleicht mal mir.

Aber zurück zu meinen hoffnungslosen Fällen von Gegenüber denn just in diesem Moment, indem ich mir gerade denke, dass sie den Abend vielleicht besser zu Hause mit einem dieser guten Bücher verbracht hätten, anstatt hier frustriert rumzusitzen (vielleicht hätte das Buch ja ihr Leben verändert, wer weiß), scheinen die beiden beschlossen zu haben, dass die Welt auch ohne Männer ganz gut zu funktionieren scheint und sie sich jetzt einfach einen schönen Abend zu zweit in diesem Café machen sollten. Die nächste Bestellung wird also schnell beim gerade heran rauschenden Kellner aufgegeben und anschließend tratschen die beiden fröhlich kichernd los, als könnte die Welt nicht besser sein.

Irgendwie bewundere ich sie für ihre spontane Entscheidung, die den ganzen Abend über anhalten sollte.

Auf der Straße zwischen meinem aktuellen Aufenthaltsort und dem Buchladen, laufen immer wieder Leute vorbei. Einige von ihnen spazieren langsam Arm in Arm und schauen sich verträumt in die Augen oder in die Sterne. Wiederum andere eilen schnell vorbei, anscheinend weil sie spät dran sind. Auch sie beachten das Café kaum.

Ich sehe den Leuten hinterher, versuche mir eine Geschichte zu ihren Gesichtern auszudenken. Vor einigen Minuten zum Beispiel kam ein junger Mann vorbei gehetzt, der wohl versuchte noch rechtzeitig zu seinem Date zu kommen (der leicht mitgenommene Strauß Rosen hat ihn verraten). In meinen Gedanken habe ich ihn ein Leben als zukünftigen Zahnarzt angedichtet. Die Frau die er heute Abend treffen will, wird nicht begeistert sein und ihn später nicht mehr “auf einen Kaffee” einladen. Nach seinem abgeschlossenem Studium wird er aber sicher die Richtige finden.

Der zweite schnell vorbei hetzende Herr scheint im Alltag ebenfalls zu beschäftigt zu sein, deshalb muss er den Sport wohl auf nachts verlegen.

Ach, und gleich nachdem ich mich hierher gesetzt habe, kam eine junge Frau in das Café. Sie hatte kürzere helle Haare und eine Kamera dabei, die sie anscheinend jeden Moment einsetzen wollte. Ich erschrak etwas, weil sie direkt auf mich zugesteuert kam und ich schon fürchtete, dass sie mich als Motiv missbrauchen wollte. Zum Glück rannte sie schnurstracks an mir vorbei und nahm den Haupteingang des Cafés direkt hinter mir. Nachdem ich mich von dem Schrecken erholt hatte, schrieb ich ihr ein zukünftiges Leben als erfolgreiche Fotografin zu, die mit ihren Kinderportraits berühmt wurde und immer wenn sie die Muse küsste, ein paar Fotos von dem machte, was sie bewegte. Das werden später hauptsächliche ihre tollen Kinder, ihr Mann und ihr gemeinsames Haus im Grünen sein.

Umso später der Abend wurde, umso mehr Geschichten, dachte ich mir aus, erfand Leute, ihre Freunde und Vergangenheiten aber natürlich auch zukünftige Ereignisse.
Als ich mich dann auf den Nachhauseweg machte und einen letzten Blick auf das Straßencafé warf, fragte ich mich selbst:
Wenn ich jetzt an diesem Café vorbei gehe, wer denkt sich dann meine Geschichte aus?

Da das wohl keiner machen wird, begann ich also selbst damit.

Und wie diese Geschichte wohl aussehen wird, verrate ich Ihnen vielleicht beim nächsten mal, wenn wir uns wieder treffen. Vielleicht ist es ja sogar hier, in diesem kleinen Straßencafé…

Bild des Strassencafes

Eingeordnet unter: Philosophisches
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  1. Manu (Website) schrieb am 08.08.2007 - 07:59:46
    Ohne die Stimmung verderben zu wollen... Ist das da ein Glas Mate neben dem Straßencafé?
  2. Philipp Söhnlein (Website) schrieb am 08.08.2007 - 09:54:36
    Bah! Humbug! (Smiley: grins)

    Rotbuschtee, Caramell.
  3. Puddy (Website) schrieb am 10.08.2007 - 02:53:07
    gefällt mir! (Smiley: lächeln)

    in die sterne hab ich letzte nacht auch ganz lang geguggt...
    =)
  4. Philipp Söhnlein (Website) schrieb am 10.08.2007 - 11:44:24
    Hat es da auch schon geregnet? Dann ist es immer noch zusätzlich schön, finde ich.
  5. Philipp Söhnlein (Website) schrieb am 10.08.2007 - 11:46:03
    OMG, gerade erst gesehen, dass du auf dem Camp bist. Na dann hoffe ich natürlich nicht auf Regen. (Smiley: lächeln)
  6. Hannah schrieb am 10.08.2007 - 19:17:36
    Die Geschichte hätte ruhig noch weiter gehen können, ich mag die Stimmung darin sehr und hätte mich gerne dazugesetzt. Ich bin einmal kurz zusammengezuckt, da du deinen Leser siezt - das war einfach ungewohnt. Ansonsten Wow... lass uns mal irgendwann einen Buchladen aufmachen.

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