Konferenz Blogging: Barrierefreiheit Webkongress Erlangen - Teil 1 [Update 2]
Gerade eben hat die Mittagspause hier begonnen und sowohl die Eröffnungsveranstaltung als auch die ersten beiden Vorträge habe ich schon hinter mir. Bisher gefällt mir alles recht gut, auch wenn das Flair vielleicht nicht der sonst vielleicht üblichen Geek-Atmosphäre entspricht. Sehr Business-like hier. Aber daran habe ich mich schnell gewöhnt, auch wenn ich meine T-Shirt Wahl für morgen überdenken sollte.
Die Begrüßungsveranstaltung fand ich persöhnlich etwas lahm. Vier Redner teilten sich die erste Stunde:
- Anton Haußmann (Ministerialdirigent beim Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen) Worte kamen bei mir nicht wirklich an und ich fand seine Rede recht lahm und auch mit wenig Inhalt versehen.
- Die Grußworte von Dr. Gerhard Polzin (Stellvertretender Leiter des Arbeitsstabs der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen) waren schon besser. Er sprach unter anderem davon die Nutzer über die Bedienbarkeit einer Anwendung entscheiden zu lassen und nicht die Techniker. Außerdem hat er bei seinem Vortrag gleich getestet, ob das Rednerpult barrierefrei ist.
- Als nächstes sprach Prof. Dr. rer. pol. Karl-Dieter Grüske (Rektor der Friedrich-Alexander-Universität) über die Geschichte der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und darüber, dass dies die Universität in Deutschland mit dem längsten Namen sei. Auch wenn das vielleicht allgemein nicht so uninteressant war, passt es meiner Meinung nach nicht zum Thema und Geist dieses Kongresses.
- Dr. Gerhard Hergenröder (Leiter des Regionalen Rechenzentrums Erlangen) stellte das Regionale Rechenzentrum Erlangen vor und lies ein paar Zahlen fallen, was hier so ein Rechnern, Switches und Prozessoren zu verwalten sind. Ich fand dies war der beste Teil der Eröffnungsveranstaltung.
Die Vorträge des Kongresses finden in zwei unterschiedlichen Hörsälen parallel statt. Dabei gibt es einen mit dem Schwerpunkt Technologie und den anderen mit Schwerpunkt Management.
Im ersten Track nahm ich am Vortrag “Mythos Barrierefreiheit” von Rainer Schlegel (Agentur 52eins) teil. Herr Schlegel berichtete sehr objektiv über die Vor- und Nachteile bei der Realisierung eines Webseitenprojektes welches barrierefrei/barrierearm gestaltet werden soll. Die Hauptaussage des Vortrages war meiner Meinung nach, dass man für die Umsetzung von barrierearmen Webseiten in der freien Wirtschaft kämpfen muss und die Entscheider davon überzeugen muss, dass dies auf längere Sicht gesehen Sinn macht, auch wenn es in der anfänglichen Konzeptionsphase einen größeren Aufwand bedeutet. Er lieferte dazu einige gute Argumente, die man gegenüber dem Kunden vorbringen kann, verschwieg aber auch nicht, dass der Kunde Bedenken und Gegenargumente haben kann, die gerade in der freien Wirtschaft mehr gelten, als die Punkte der Befürworter der Umsetzung von barrierearmen Seiten. Der Haupttipp, den ich für mich mitgenommen habe ist der, dass man gegenüber dem Kunden nicht mit behindertengerechter Programmierung argumentieren soll, sondern eher mit einem Geschäftspartner der sich in einem Wagen mit modernem Navigationssystem zum Kunden bewegt und sich dabei von diesem System die Webseite des Kunden vorlesen lassen möchte. Schlecht programmierte Webseiten würden in so einer Situation durchfallen. Auch die mittlerweile anscheinend typische Situation am Flughafen, in der viele Geschäftsmänner und Geschäftsfrauen noch einmal Infos über das Internet mit ihrem PDA könnte als Argument dienen.
Außerdem neu für mich war, dass es von JAWS eine kostenlose Version gibt, nämlich die Demo. Diese ist 40 Minuten lang nutzbar, danach muss der Rechner neu gestartet werden, dann ist sie wieder 40 Minuten nutzbar.
Der zweite Vortrag wurde von Volker Buzek (Mitarbeiter und Webmaster des Regionalen Rechenzentrum Erlangens) gehalten und war mit “Typo3 im Einklang mit der BITV – Ein Erlebnisbericht” betitelt. Herr Buzek stellte das Projekt GIBY und die Umsetzung des Relaunches vor. Dabei wurde Typo3 verwendet und es wurde darauf geachtet, dass dieses mit möglichst wenig Modulen erweitert werden musste. Herr Buzek wies darauf hin, dass es sich um einen Erlebnisbericht, also auch um eine Art von Experiment handelt (okay, so hat er es nicht formuliert, das ist meine Interpretation). Ich denke, man muss sich bewusst sein, dass man beim Einsatz von Typo3 ein sehr großes und nur schwierig individualisierbares CMS verwendet, und deshalb man viel mit Anpassung beschäftigt ist, im Vergleich zu den Systemen die wir für unsere Kunden programmieren, da wir viel Wert auf ein individuelles System legen.
Allgemein würde ich sagen, es sind hier zwischen 150 und 200 Teilnehmer anwesend. Die Hörsäle sind groß genug und eine gute Umgebung. Mir fehlen leider die Vergleichsmöglichkeiten, da dies die erste von mir besuchte Veranstaltung dieser Art ist. Ich finde es aber interessant, dass der Frauenanteil der Teilnehmer recht hoch ist, was mich hoffen lässt, das die Webbranche auch gesellschaftlich wirklich so aufgeschlossen ist, wie ich sie immer halte.
Die Fotos reiche ich heute von zu Hause aus nach. Mal sehen, vielleicht habe ich in der nächsten Pause Zeit über die nächsten zwei Vorträge zu bloggen.Stay tuned.
Fotos sind nachgereicht und der zweite Teil ist auch verfügbar.
Botschaften
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Gute Zusammenfassung, nette Worte (danke!). Noch eine Anmerkung zu Jaws: man kann mit ihm nun auch gefahrlos am Firefox testen, was vorher kaum funktionierte.
Grüße,
Rainer Schlegel -
Die Interpretation des GIB-Projekts als "Experiment" stimmt: es galt ja durch das Projekt herauszufinden, inwieweit man _nachhaltige_ Barrierearmut eines Typo3-basierten Webauftritts erreichen kann. Fazit: geht!
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@Volker:
Das es geht, glaube ich. Wenn ich mich richtig erinnere, waren es 44 Manntage Aufwand. Ich frage mich in solchen Fällen immer, ob es Sinn macht ein fertiges System zu nehmen bei dem man dann eben die 44 Tage braucht oder ob es mehr Sinn macht, das eigene System dementsprechend anzupassen oder zu entwickeln. Sicher eine komplette Eigenentwicklung macht hier wenig Sinn, aber wenn wir als Agentur bei einem kleinen Projekt mit der Entwicklung eines eigenen Systems anfangen und dann pro Projekt immer mehr fertige Module erstellen können, bei denen von Anfang an auf Barrierefreiheit geachtet wird, halte ich das für die bessere Alternative. Zudem Sie ja auf die Frage nach Tidy gemeint haben, dass sie lieber die volle Kontrolle haben möchten und die ist bei einem eigenem System wohl eher gegeben. Von daher halte ich _für mich_ diesen Weg für den besseren.
Im Falle des GIB Projektes weiß ich nicht was vorhanden gewesen wäre. Ich nehme aber an, dass allein der Grund, dass Typo3 schon vorher verwendet wurde das Totschlagargument gegen eine Migration auf ein anderes CMS gewesen wäre.
Gruß
Phil -
@Phillip: die 44 Tage beziehen sich auf das _gesamte_ Projekt und den Beiträgen _aller_ Beteiligter (außer der CSS-Designerin), nicht nur auf die Anpassungen des Systems.
Und mit gesamten Projekt ist wirklich gemeint: vom ersten Gespräch mit den GIB-Leuten, über das Aufstellen, Verkabeln und Installieren des Servers, bis hin zur Typo3-Installation/-Konfiguration, dem CSS-Design, der Prototypen-Entwicklung, der Integration zusätzlicher Server (Multimedia, CVS), den Beta-Tests, dem Schreiben des Handbuchs für die Redakteure und naütrlich dem finalen Start der Seite.
Ein eigenes System in der Zeit von 44 Manntagen mit den für die Redakteure und das Zielpublikum notwendigen Features zu schreiben halte ich für nahezu unmöglich.
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